Mehr Tempo für die Energiewende: Wie geht es weiter im Bund und in der Region?

Podiumsdiskussion von Bündnis 90 / Die Grünen mit Staatssekretärin Franziska Brantner am 5.Mai 2023 in Neckargemünd

Das Thema Energiewende betrifft in besonderer Weise auch private Haushalte und Unternehmen. Als Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium ist die Heidelberger Bundestagabgeordnete Franziska Brantner ganz nah an den aktuell heiß diskutierten Themen dran. Und so wunderte es nicht, dass bei der Veranstaltung ‚Mehr Tempo für die Energiewende: Wie geht es weiter im Bund und in der Region?‘ über 100 Besucherinnen und Besucher den Weg in das Martin-Luther-Haus gefunden hatten.

Franziska Brantner, Staatssekretärin im BMWK, erläuterte die Maßnahmen der Bundesregierung zur Energiewende

Eingeladen hatten der Kreisverband Odenwald Kraichgau von BÜNDNIS 90/ Die GRÜNEN und der Ortsverband Neckargemünd. Neben Franziska Brantner saßen auch Eva Rausch, Mitinhaberin eines Rauenberger Unternehmens für Gebäudetechnik, der Stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Bürgerenergiegenossenschaft Kraichgau Florian Oeß sowie Umweltphysikerin Amany von Oehsen auf dem Podium.

Als Moderator lockte Stefan Geißler, Kreisrat und Vorsitzender des Ortsverbandes Neckargemünd, die Podiumsgäste aus der Reserve und sorgte für einen lebhaften Austausch.

Eva Rausch, Amany von Oehsen, Florian Oeß, Franziska Brantner und Stefan Geißler (v.l.n.r) auf dem Podium

Staatssekretärin Franziska Brantner machte den Anfang und beschrieb das hohe Arbeitstempo im Ministerium: „Es ist einfach sehr viel zu tun im Augenblick“, erläuterte sie und lenkte den Blick auf ein Thema, das medial bisher zu wenig diskutiert wurde. „Wir haben viel Zeit mit der Digitalisierung der Energiewende verbracht und sehen, welchen Unterschied es macht“, sagte sie.

An Vorwürfe an das Wirtschaftsministerium und seine Politik mangele es derzeit nicht, so die nächste Frage an sie: Während einigen alles zu schnell gehe, mahnten andere an, das Land sei immer noch nicht auf 1,5-Grad-Kurs. „Wie geht ihr mit diesen Vorwürfen um?“ Die Staatssekretärin verwies auf Übergangsfristen und sagte, man wolle niemanden zurücklassen und zeigen, dass Wohlstand und Klimaschutz zusammengehen.

Angesprochen auf den Nachholbedarf auch in Baden-Württemberg und gerade hier in der Region, verwies Brantner auf die Vorreiter-Rolle in einer nicht minder entscheidenden Disziplin: „Bis Ende des Jahres müssen die großen in BW Kommunen eine Wärmeplanung machen. Wir sind das erste Land, das erkannt hat, dass wir eine Wärmewende brauchen.“

Eva Rausch wurde nach der Stimmung in der Kundschaft beim Thema Energiewende befragt. „Es gibt ganz viele, die wollen umstellen, aber rund ein Drittel fragt, wo kriege ich noch eine Ölheizung her“, berichtete sie. Auf die Frage, was sie der Staatssekretärin gern mitgeben würde, äußerte die Praktikerin: „Ich würde mir stressfreiere Anmeldungen von Anlagen wünschen. Im Umkreis von 50 Kilometern gibt es bis zu sieben Netzbetreiber. Da müssen noch Papierausdrucke händisch unterzeichnet und per Mail verschickt werden. Es wäre schön, wenn das einheitlich liefe.“

Zu dieser großen Zahl von Akteuren trügen vor allem die vielen Stadtwerke bei. „Ja. Das ist einerseits eine große Stärke. Aber hier sieht man auch die Grenzen des Föderalismus“, sagte Brantner und versicherte: „Wir versuchen, eine gemeinsame Plattform zu eröffnen.“

Angesichts des Mangels an Fachkräften wünschte sich Rausch eine leichtere Anerkennung gleichwertiger Abschlüsse aus dem Ausland. „Wenn von zehn Punkten zwei fehlen, sollten sie nachgeholt werden können und nicht die ganze Ausbildung von vorn begonnen werden müssen.“

Amany von Oehsen begleitet die Energiewende sowohl als Wissenschaftlerin wie auch als Energieberaterin im Nebenberuf. Sie sieht aktuell Licht und Schatten. PV auf Gebäuden sollte durch eine Anpassung der Einspeisevergütung besser gefördert werden, forderte sie. „Wir gehen auf den Acker, weil sich die PV auf der Fabrikhalle weniger lohnt“, bemerkte sie. Nachholbedarf sah sie auch bei der Energieeffizienz und bei der Gebäudedämmung.

Aktuell sei die Diskussion um die Energiewende sehr vielstimmig und manche sähen in E-Fuels oder der Kernfusion die Lösung, so Geißler. Wie denn die Wissenschaftlerin von Oehsen diese Diskussion bewerte? „Es gibt schon lange Studien, die zeigen, dass es möglich ist zu hundert Prozent auf Erneuerbare Energien umzustellen, entgegnete Amany von Oehsen und machte zugleich deutlich, dass es mit den Klimazielen zudem nicht vereinbar sei, in größerem Umfang Holz zu verbrennen: „Buchen brauchen 80 Jahre bis sie ‚erntereif‘ sind. Und wir wissen nicht, ob die Bäume in Zukunft noch nachwachsen.“

Anders als bei den meisten anderen großen Infrastrukturen im Land seien bei der Energiewende bürgerschaftliche Formen möglich – so gebe es beispielsweise keine bürgerschaftlichen Chipfabriken oder Hochgeschwindigkeitszüge. Aber PV- und Wind-Energie böten uns allen die Möglichkeit, aus der Rolle des Konsumenten oder der Zuschauerin herauszutreten und selbst Akteur:in zu werden, so Geißler. Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Bürgerenergiegenossenschaft Kraichgau Florian Oeß bestätigte  und beschrieb die besondere Rolle dieser Modelle bei der Energiewende. Hier bestehe die Möglichkeit einer dezentral organisierten Energiewende, die von der Bürgerschaft getragen wird. Er machte deutlich: „Es reicht nicht, nur die Energiequelle auszutauschen. Ich behaupte, dass wir in den Bürgerenergiegenossenschaften große Kompetenzen haben. Die Bürgerenergie ist sozial gerecht, für die Beschleunigung der Energiewende brauchen wir die Bürger.“

Überraschend wenig Diskussionsbedarf hatten die Anwesenden in Sachen Lammerskopf, bei dem drei Bürgerenergiegenossenschaften und die Stadtwerke Heidelberg gemeinsam ein Bürgerwindpark-Projekt voranbringen wollen. Noch sei keine Entscheidung gefallen wer den Zuschlag bekommen werde, so Stefan Geißler. Nachdem die federführende Behörde ForstBW sich gegen eine Sondervergabe an das Bürgerprojekt entschieden habe, wolle dieses sich nun an der regulären Ausschreibung der Staatsforstflächen beteiligen. „Jetzt gilt es, die Daumen zu drücken!“ berichtete Florian Oeß für die ebenfalls beteiligte BEG Kraichau.

Über eine Stunde konnten sich die Anwesenden mit Fragen und Kommentaren an das Podium wenden und machten davon lebhaften Gebrauch.

DISKUSSION

Lebhaft diskutiert wurde über die Heizungsumstellung auf erneuerbare Energien, die viele persönlich betrifft. Gebäudesanierung, Heizungsumstellung und Dämmung sind oft mit großem Aufwand und Investitionen verbunden. Finanziell Schwächere könnten das nicht leisten und müssten gezielt unterstützt werden.

Es brauche kommunale Wärmenetze und die Möglichkeit der Gemeinschaftswärmeerzeugung, da nicht jede Gasheizung durch eine Wärmepumpe ersetzt werden könne.

Aus Gründen des Klimaschutzes sollte die Förderung für Pelletheizungen gestrichen und stattdessen die von Wärmepumpen und Geothermie erhöht werden.

Weitere Fragen und Anregungen deckten ein breites Spektrum ab: Die Struktur des Netzes und sein Ausbau sollten auf die Dezentralisierung des Energiesystems abgestimmt werden. Smartmeter seien derzeit noch teuer und hätten, solange es keine flexiblen Tarife gibt, wenig Nutzen. Auch für die teuren Weiterbildungen für Handwerker sollte es Geld vom Staat geben.

Mit Anpassungen bei der Landesbauverordnung müssten Vorhaben wie Parkplatzüberdachungen erleichtert werden.

Angeregt wurden Beratungsstrukturen, besonders für ältere Menschen. Insgesamt sollte die Regierung wieder mehr erklären, warum sie etwas tut.

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