Haushaltsrede 2024 von Hermino Katzenstein

Rede vom 27.2.2024 im Neckargemünder Gemeinderat

Haushaltsrede 2024

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

sehr geehrter Herr Möhrle,
sehr geehrte Mitarbeiter:innen der Verwaltung,
geschätzte Kolleg:innen,
meine Damen und Herren!

Vielleicht überschreite ich das kurze Zeitlimit um wenige Minuten – aber es werden keine 10 und seid froh, dass nicht mein Kollege die Rede hält…

Herzlichen Dank für Ihre Vorarbeiten zum diesjährigen Haushalt, die konstruktive Klausursitzung und die gute Zusammenarbeit!

Es ist kein Haushaltsplan wie jedes Jahr! Denn wenn er 1:1 umgesetzt würde, würden unsere Bankschulden – ich sage bewusst Bank-Schulden – von knapp 4 auf knapp 7,7 Mio. EUR steigen. Hinzu kommen die Schulden bei den kommenden Generationen wegen der zum Teil schlechten Bausubstanz und dem Nachholbedarf beim Klimaschutz und der Klimafolgenvorsorge.

Ja, Neckargemünd stand schon weit tiefer in den roten Zahlen und andere Kommunen in unserer Nachbarschaft, wie z.B. Leimen, sind um ein Mehrfaches höher verschuldet. Aber das ist natürlich kein Freifahrtschein für sorgloses Haushalten. Machen wir ja auch nicht.Und am Ende wird es dann doch nicht ganz so arg kommen, denn die Realisierungsquote ist stets deutlich niedriger.

Aber wir Grüne melden dennoch Vorbehalte für das eine oder andere Großprojekt an! Dazu komme ich etwas später.

Dass manche Projekte seit Jahren immer wieder im Haushalt stehen – wie z.B. das Ratsinformationssystem – ist aber auch sehr ärgerlich, manche Beschlüsse des Gemeinderats werden einfach nicht umgesetzt. Wir müssen mehr ins Handeln kommen, sonst machen wir uns bei den Bürger:innen unglaubwürdig.

Das gilt übrigens auch für viele andere sinnvolle Dinge, wo wir Pläne machen und bei den Menschen Erwartungen wecken – diese dann in der Realität aber nicht einlösen:

Wie zum Beispiel die Radspuren in der Bahnhofstraße und im Wiesenbacher Tal oder die kommunale PV-Anlagen – es gäbe noch einige Beispiele mehr!

Wir sehen mit Bedauern, dass unsere Haushaltsanträge zur Bildung eines Sozialbeirats und einer Stadtentwicklungskommission keine Mehrheit gefunden haben. Denn wir Grüne sind der Meinung, dass unserer Stadt mehr Dialog mit den Bürger:innen gut anstünde.

Mit 7 Mio. EUR haben wir immerhin ein Rekordhoch bei den Investitionen im Plan stehen – in diesem Jahr. Und wir haben noch einige große „Baustellen“ vor uns – wie Sanierung der Grundschule, der Schützenhausbrücke, der Beschaffung der neuen Drehleiter für die Feuerwehr oder – neu – die Sanierung der Straße „am Mühlwald“ in der Rainbach.

Und hier sprechen wir noch überhaupt nicht über die Millionensummen, die im kommenden Jahrzehnt für dem Klimaschutz und der Klimafolgenvorsorge wie etwa für die Wärmewende oder den Starkregenschutz investiert werden müssen.

Da werden wir kreative Lösungen finden müssen, um dieses Geld aufzubringen. Wie z.B. die Bürger:innen ganz konkret mit ins Boot holen, wie die Stadtwerke Heidelberg es jetzt schon angehen. Die wollen über einen Klimaschutzfonds privates Kapital für die großen anstehenden Investitionen mobilisieren.
Eine gute Idee auch für Neckargemünd?

Leider steigen die Einnahmen nicht ausreichend – und die geplanten Ausgaben liegen im Millionenbereich über dem Vorjahr. Nun, z.B. die Steigerung bei den Personalausgaben ist zum größten Teil durch den Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst mit einem Plus von 12 % entstanden. Das gönnen wir den Mitarbeiter:innen vom Herzen, aber das hatten wir nicht in der Hand. Und der überwiegende Teil des Personalzuwachses in den vergangenen Jahren ist auf die neuen Anforderungen in der Kinderbetreuung zurückzuführen – war also ebenfalls erforderlich.

Wir befürworten auch explizit die neue Stelle im „Freiräume“-Projekt, weil ohne diese das Projekt nicht in Gang kommen kann. Das ist eine sinnvolle Investition in unsere Zukunft, in das örtliche Dienstleistungsgewerbe.

Vieles wird durch staatliche Zuschüsse gefördert und wären ohne diese Zuschüsse wohl kaum eingerichtet worden. Allerdings bringen Förderprogramme – namentlich die des Bundes – immer auch ein Bündel an Auflagen und viel Bürokratie mit sich – und müssen zu Recht kofinanziert werden.

Deshalb muss man sich immer auch die Frage stellen: Was würden wir denn machen, wenn wir das Fördergeld nicht bekämen? Ein Projekt muss für uns hier in Neckargemünd auch ohne Zuschuss sinnvoll sein und nicht nur „nice to have“.

Und da sind wir angesichts der zuvor nicht bekannten im HH vorgesehenen deutlich gestiegenen Verschuldung – das wird Sie jetzt überraschen! – inzwischen auch zurückhaltender  beim Radhaus am Rathaus.

Das müssen wir uns – wenn es nicht noch einen großen Sponsor gibt! – schon noch gut überlegen. Der Bedarf nach genügenden sicheren, also abschließbaren Abstellanlagen ist zweifelslos da – denken Sie an die Kosten für ein Pedelec. Und zwar für Dauermieter:innen und Gelegenheitsnutzer:innen. Aber wir sind in der Tat nicht Heilbronn, Offenburg oder gar Heidelberg. Wir wissen seit heute, dass der Förderbescheid da ist, was sehr erfreulich ist, da hat Herr Horvarth hervorragende Arbeit geleistet. Vielen Dank!

Für die kommende Beratung wünschen wir uns als Entscheidungshilfe eine Bedarfsanalyse, also eine belastbare Abschätzung, wie gut das Radhaus in den nächsten Jahren und Jahrzehnten genutzt werden würde.

Und es steht, wie schon im vergangenen Jahr, der Ankauf des Martin-Luther-Hauses mit 810 TEUR im Haushalt. Wir haben in der Fraktion nochmal sehr intensiv darüber diskutiert. Es gibt gute Argumente für den Kauf: Es wäre ein möglicher Ort für ein Bürgerhaus, es bietet de facto den letzten verfügbaren großen Saal, und für die Stadtentwicklung an diesen hervorgehobenen Ort sollten wir die Hand drauf haben.

Aber wir haben auch große Sorgen wegen des hohen Kaufbetrages und der noch unklaren enormen Folgekosten und der doch sehr beschränkten Nutzbarkeit. So ist wegen des kaputten Aufzugs der große Saal nicht barrierefrei erreichbar.

Wir müssen das gut beraten und brauchen vor der finalen Entscheidung eine realistische Abschätzung der weiteren Kosten.

Unser Immobilienbesitz ist durch Jahrzehnte der Untätigkeit heruntergewirtschaftet. Die Objekte belasten den Haushalt und binden unsere ohnehin knappen Personalressourcen. Dennoch sind viele dieser Objekte von historischer Bedeutung für die Stadt und prägen das Stadtbild.

Darum lasst uns nochmal intensiv darüber nachdenken, ob nicht die Gründung einer kommunalen Immobiliengesellschaft – wie von uns ebenfalls in den Haushaltsverhandlungen angeregt wurde – sinnvoll ist! Dieser könnten wir auch die Schaffung von günstigem Wohnraum übertragen – wie es andere Städte längst getan haben. Glücklicherweise besteht im Gemeinderat Einigkeit, dass Wohnraum und insbesondere Sozialwohnungen dringend benötigt werden.

Ja, auch diese Idee muss gut abgewogen werden, wir müssen uns gut und ergebnisoffen beraten lassen, von unabhängigen externen Expert:innen.

Zum Thema Wohnen möchte ich noch ergänzen: Wir alle wissen, wie groß die Bedarfe sind, gerade bei jungen Familien, wie gern sie in unserer schönen Stadt und ihren Ortsteilen wohnen würden. Gleichzeitig sind viele ältere Mitbürger:innen einsam in ihrer – für die Familienphase konzipierten – Wohnsituation. Wir kennen das alle hier im Saal und hierfür gibt es durchaus Lösungen, die aber in Neckargemünd noch nicht zur Anwendung kommen: kein Leerstandskataster, keine Wohnungstauschbörse, kein Abruf der Beratungsmittel des Landes, keine Änderung der Bebauungspläne, um Anbauten und Aufstockungen zu erleichtern.

Wir brauchen eine aktive und vorausschauende Grundstückspolitik!

Die nachträglich vorgeschlagene Aufstockung der Schulsozialarbeit tragen wir natürlich mit, wir hatten diese ja schon zur Haushaltsklausur vorgeschlagen. Und auch die Mittel für die Reparatur der Straße am Mühlwald sind dringend erforderlich, hier müssen wir schnell handeln, um die derzeitige schwierige Situation für die Anlieger zu beenden.

Positiv schließen möchten wir mit dem von uns ausdrücklich unterstützten Antrag der Ortsteile Mückenloch, Dilsberg und Waldhilsbach zur Mittelbereitstellung für Quartiersentwicklungskonferenzen.
Hier sehen wir große Potentiale, wenn diese Formate nun etabliert und als fester Bestandteil einer Dialogkultur fortgesetzt werden. Denn die Menschen vor Ort wissen am besten was ihnen fehlt und Sie haben Ideen, wie ihr Heimatort von Morgen aussehen kann.

Deshalb: Geben wir dem Miteinander eine Chance!

Die Fraktion Grüne wird dem Haushaltsplan mehrheitlich zustimmen.

Vielen Dank