Bertram Fleck stellte den Rhein-Hunsrück-Kreis vor: Florierend und energieautark
Die meisten Vorträge zu Klimaschutz und Energiewende betonen, was nun „unbedingt zu tun wäre“ oder was man nun „mit Nachdruck“ umzusetzen plant. Nicht so, wenn Bertram Fleck, Landrat a.D. des Rhein-Hunsrück Kreises über seine Heimatregion spricht. Dort hat man seine Hausaufgaben schon vor Jahren gemacht und ist rechnerisch inzwischen CO2-neutral und erzeugt das Dreifache des benötigten Stromes aus erneuerbaren Quellen.
Bei den Neckargemünder Gesprächen der örtlichen Grünen am vergangenen Sonntag im Neckargemünder Jakobssalon beschrieb Fleck mit Begeisterung die dortige Dynamik: Der Landkreis ist inzwischen der mit der niedrigsten Verschuldung in ganz Rheinland-Pfalz; Mittel im zweistelligen Millionenbereich werden jährlich in der Region gehalten, sichern Arbeitsplätze und machen Projekte finanzierbar, die früher unvorstellbar gewesen wären. Und darüber hinaus „Wir haben hier inzwischen einen derartigen Zusammenhalt, das kann man in Euro gar nicht mehr ausdrücken“. Junge Familien kommen in die Region, der Tourismus wird ausgebaut, die früher abgehängte, strukturschwache Region hat sich zukunftsfest gemacht. Die spektakuläre Geierlay-Hängebrücke, die pro Jahr hunderttausende in das ehedem verschlafene Dorf Mörsdorf lockt und dort Wertschöpfung erzeugt, ist ein eindrucksvolles Beispiel. Ohne die Einnahmen aus der Energiewende wäre dieses Projekt wie viele andere nicht finanzierbar gewesen. Zwei direkt benachbarte Orte in seinem Kreis haben unlängst eine gemeinsame Heizzentrale und ein gemeinsames Nahwärmenetz gebaut und im Zuge dessen auch gleich noch 300 Mbit/sek Glasfasernetze in die Straßen gelegt. „Das glaubt man nicht, wenn man das sieht: Die haben sich früher auf der Kerwe ständig geprügelt! Heute planen sie Energiewendemaßnahmen zusammen!“
Ein Erfolgsmodell, das man Bertram Fleck und seinem Team aus den Händen reißt? Nicht ganz: „Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung, warum unser Bespiel nicht aktiver aufgegriffen wird“, sagt Fleck. „Wenn man manche große Zeitungen aufschlägt, kann man sich nur wundern, wie negativ dort die Energiewende oft kommentiert wird, als gäbe es damit nur Sorgen und Kosten. Das Gegenteil ist richtig: Es grenzt fast an Untreue, wenn Verantwortungsträger heute diese Möglichkeiten für ihren Bereich nicht nutzen!“ Immerhin ist der Landkreis unlängst zur Energiekommune des Jahrzehnts gekürt worden. Fleck selbst wird zu Vorträgen bis nach Japan eingeladen und teilt bereitwillig seine Erfahrungen.
Zu wenig hätten sowohl Verbraucher wie auch die öffentliche Hand die ständig steigenden Energiekosten im Blick. Ein Durchschnittshaushalt, der noch vor 20 Jahren ungefähr 2500 Euro pro Jahr an Energiekosten hatte, werde heute mit weit mehr als dem doppelten belastet. „Und dennoch schimpfen alle auf die EEG-Umlage, die davon nur einen sehr kleinen Teil ausmacht.“ Der Rest gehe an Öl- und Gaslieferanten in Russland und am Arabischen Golf. „Ist es nicht besser, wir behalten diese Mittel hier und bauen davon Kindergärten und Schulen?“
Sein Erfolgskonzept hält Fleck auch anderswo für umsetzbar. „Jede Gemeinde kann CO2-neutral werden!“. Es brauche dafür zunächst konkrete, erste, kleine Erfolge, z.B. bei Energieeffizienz. Dazu ein Konzept und jemanden in der Verwaltung, der sich für die Sache begeistert. „Ohne die Verwaltung und die Bürgermeister geht es nicht! Die müssen vorangehen und das als ihre Aufgabe begreifen! Bilden Sie breite Mehrheiten, schließlich profitieren alle davon! Und betonen Sie die regionale Wertschöpfung, die harten Euros, die so ein Projekt einbringt (nicht kostet!). Die armen Eisbären und die Gletscher sind schlimm genug, aber die großartigen wirtschaftlichen Aussichten einer erfolgreichen Energiewende sind oft noch überzeugender“.
Den Vortrag von Bertram Fleck findet man hier.
Stefan Geißler
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