Augen auf: Die Undemokraten sind da!

Rhein-Neckar Kreisräte informieren sich über die AfD

Nicht erst seit den jüngsten Entwicklungen in Thüringen wird klar, dass sich mit der AfD eine Partei anschickt, systematisch und durchaus mit einigem Erfolg unsere Demokratie anzugreifen und zu verändern. In der AfD sind Personen an die Spitze gelangt, nicht obwohl, sondern gerade weil sie eine große Nähe zu rechtsextremen Positionen zeigen. Viele Beobachter fühlen sich an die Entwicklungen der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts erinnert, als die Demokraten der jungen, schwachen Weimarer Republik zu lange dem Aufstieg der Rechten tatenlos zugesehen haben. „Augen auf!“ muss daher das Gebot der Stunde sein.

Im Kreistag des Rhein-Neckar-Kreises gibt es seit der letzten Wahl ebenfalls eine AfD-Fraktion. Die Strategie dieser Abgeordneten kann man zunächst gut mit dem Begriff der Selbstverharmlosung beschreiben: Verbindlich und freundlich im Umgang, meist korrekt und stets bemüht, jede erreichbare Hand zu schütteln, zu lächeln und bei jedem freundlichen Plausch nach den Sitzungen dabei zu sein. Und die Gefahr besteht, dass diese Strategie verfängt und sich so manche und mancher aus den demokratischen Fraktionen denkt, „naja, was soll denn an denen so schlimm sein? Das sind doch eigentlich recht aufgeräumte Leute“ und darüber die eigentlichen Überzeugungen und Ziele dieser Personen aus dem Blick geraten.  

Kreisräte des Rhein-Neckar-Kreises, darunter viele aus der Fraktion von Bündnis 90 / Die Grünen, hatten daher am Donnerstag 13.2. an einem seit längerem geplanten Informationsgespräch über Strukturen, Personen und Vorgeschichte der AfD im Kreis teilgenommen. Elke Messer-Schillinger von „AfD-Watch Heidelberg“, die seit langem detailliert die Aktivitäten der Rechtsradikalen in der Region dokumentiert und die für ihre Aufklärungsarbeit unlängst mit der Bürgermedaille der Stadt Heidelberg geehrt worden war, hatte zugestimmt, ihr Wissen zu diesem Thema mit den Kreisräten zu teilen. Und die erste, erfreuliche Beobachtung war, dass es ein Interesse an dieser Art von Aufklärung bei mehreren Fraktionen des Kreistags gab.

Auffällig sei zunächst, so die Referentin, dass die AfD-Kreisräte oft nicht an ihrem Wohnort, sondern in einem anderen Wahlkreis des Rhein-Neckar-Kreises kandidierten.  Meist seien doch Kreisräte entweder ohnehin in der Kommunalpolitik ihres Ortes engagiert oder seit langem in Ehrenämtern in Vereinen, der Feuerwehr, den Gemeinden oder ähnlichen Zusammenhängen für ihren Heimatort tätig. Nicht so zahlreiche Räte der AfD, die oftmals nicht nur im Rat, sondern auch außerhalb eher wenig in Erscheinung träten. Die Ausnahme hier sei allerdings der AfD-Fraktionsvorsitzende Kaufmann, der ganz im Gegenteil sogar bundesweit zu den reichweitenstärksten Nutzern von sozialen Medien zu zählen sei. Und hier sei der sonst ein adrettes Schwiegersohn-Image pflegende Kaufmann mit sehr bemerkenswerten Beiträgen unterwegs. So wies die Vortragende auf gemeinsame Auftritte Kaufmanns mit dem Brandenburger AfD-Landesvorsitzenden Andreas Kalbitz hin, der bis in allerjüngste Vergangenheit in einer Vielzahl von rechtsradikalen und neonazistischen Gruppen unterwegs war und mit dem Kaufmann im Wortsinne den Schulterschluss sucht (vgl. die Einladung von Kaufmanns Kreisverband zu einer Veranstaltung mit Kalbitz: https://j-afd.org/49-jafd-in-heidelberg-am-22-9-2019). Auch den Faschisten Björn Höcke nimmt Kaufmann gegen Angriffe seiner ehemaligen Partei CDU in Schutz (vgl. https://mobile.twitter.com/MalteKaufmann/status/1227178734081499140). Beides mag so gar nicht zu jemandem passen, der sonst bei jeder Gelegenheit seinen christlichen Hintergrund betont: Beide, Kalbitz sowie Höcke, stehen in ihrer ohnehin schon rechtsradikalen Partei am extrem rechten Rand und werden inzwischen vom Verfassungsschutz beobachtet – alles anscheinend keine Gründe für Kaufmann, sich nicht wieder und wieder ganz öffentlich an deren Seite zu stellen. Aber auch andere Mitglieder der AfD-Kreistags-Fraktion scheinen in der Online-Welt ein zweites Gesicht zu offenbaren: Der Neckargemünder Lehrer Dr. Guido Elberfeld etwa, der in Bammental Kinder in Geschichte und Musik unterrichtet, sinniert in der Neonazi-Postille Junge Freiheit darüber nach, ob es denn nicht an der Zeit sei, durch „außergesetzliche“, „neue Aktionsformen“ Gegnern im Land ein für alle Mal klarzumachen, dass sie sich besser nicht mit den Rechten anlegen sollten (vgl. https://phinau.de/jf-archiv/online-archiv/file.asp?Folder=17&File=201727063071.htm).

Während des 90 Minuten dauernden Vortrags kamen die anwesenden Rätinnen und Räte aus dem Staunen nicht mehr heraus. Erstaunlich immer wieder, wie umfassend die Information sei, die man zu Themen wie diesen über frei zugängliche Quellen in kurzer Zeit recherchieren könne, wenn man also schlicht die „Augen auf!“ mache.

Für die Arbeit im Kreistag, in der bislang über alle Parteigrenzen und Unterschiede hinweg ein meist kollegialer, respektvoller Umgang die Regel war, können diese Erkenntnisse insgesamt nur bedeuten: Die Abgeordneten der AfD sind keine Kollegen. Die AfD-Fraktion ist zwar in einer demokratischen Wahl in den Kreistag entsandt worden und darf daher eine formal korrekte und faire Gleichbehandlung erwarten, aber das darf nicht davon ablenken, dass die AfD ein Gegner und eine Gefahr für eine freiheitliche, liberale, tolerante und friedliche Gesellschaft ist und ihr entsprechend begegnet werden muss: wachsam, klar und kompromisslos. Die Hoffnung ist, dass Veranstaltungen wie dieser Informationsabend und die gewissenhafte und mutige Arbeit von „AfD-Watch Heidelberg“ dazu beitragen, die Entschlossenheit der nach wie vor übergroßen Mehrheit im Land, die der AfD ablehnend gegenübersteht, zu stärken und deutlich zu machen, dass hier im Kreis und überall im Land gilt: Keine Toleranz den Intoleranten!

Stefan Geißler, Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Kreistag Rhein-Neckar

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