Undemokraten im Rhein-Neckar Kreistag bekommen Stimmen von Demokraten
Sieben Sitze haben Vertreter/innen der AfD im Kreistag Rhein-Neckar – und dennoch erhielten die Vorschläge der Rechten bei der Aufstellung der Listen für ehrenamtliche Verwaltungsrichter am Dienstag 28.7. bei der Kreistagssitzung in Ketsch zum Teil über 30 Stimmen aus den Reihen des Kreistags. Mitglieder der demokratischen Fraktionen haben also in großer Zahl ihre Kreuzchen bei den Vorschlägen einer Partei gemacht, deren Spitzenpersonal inzwischen vom Verfassungsschutz beobachtet wird und halten die AfD-Kandidat/innen für geeignet für ein Richteramt – ein Tabubruch!
Gerade mal ein paar Wochen ist es her, da taugte die turbulente Wahl des Ministerpräsidenten in Thüringen noch zum bundesweiten Aufreger: Ein Abgeordneter der bürgerlichen Parteien hatte sich mit Stimmen der AfD wählen lassen und diese Wahl nicht umgehend abgelehnt. Klare Kante gab es damals von den Bundesspitzen der demokratischen Parteien: Eine Zusammenarbeit mit der AfD dürfe und werde es nicht geben. Wie dieselben Bundesspitzen nun wohl die jüngsten Vorgänge im Kreistag Rhein-Neckar bewerten, zumal hier sogar aktiv Stimmen für die AfD abgegeben wurden?
Die gute Nachricht: Keiner der AfD-Vorschläge wurde letztlich gewählt, denn dafür wäre ein Quorum von zwei Dritteln der Stimmen im Rat nötig gewesen. Aber die große Zahl von Stimmen aus den anderen Fraktionen ist dennoch ein Alarmsignal. Denn unter den aufgestellten AfD-Vorschlägen war z.B. auch der Heidelberger Kreisvorsitzende der AfD und Kreisrat Malte Kaufmann aus Mühlhausen. Kaufmann ist nicht nur einer der aktivsten Lautsprecher seiner Partei in den Sozialen Medien, sondern dort auch stets an der Seite ausgerechnet von ausgemachten Faschisten wie den AfD-Spitzenleuten Andreas Kalbitz und Björn Höcke, denen er in Kontroversen in der Vergangenheit immer wieder argumentativ zur Seite stand. Im September vergangenen Jahres übte Kaufmann im Wortsinne den Schulterschluss mit Kalbitz, als er auf einem Plakat für eine AfD-Veranstaltung in Heidelberg mit dem damaligen brandenburgischen Landesvorsitzenden an seiner Seite für ein Foto posierte – eine Positionierung, die eine wie auch immer geartete Tätigkeit in Justiz oder Verwaltung in Deutschland ausschließen muss. Und dennoch erklärten Vertreter mehrerer bürgerlicher Parteien im Nachgang zu der skandalösen Richterwahl öffentlich in der RNZ, man wolle die AfD „nicht ausgrenzen“.
Aus der Sicht der Grünen Fraktion im Kreistag sind diese Vorgänge nur mit einem Mangel an Informationen zu erklären. Die AfD trete nämlich im Kreistag ausgesprochen moderat auf vermeide, anders als in ihrem Wirken im Netz, allzu schrille Töne. „Die Vertreterinnen und Vertreter aller anderen Fraktionen im Kreistag sind durch die Bank aufrechte Demokraten und über jeden Zweifel erhaben!“, heißt es in einer Erklärung der Grünen Kreistagsfraktion. „Aber wir fordern die Kolleginnen und Kollegen schon auch dringend auf, genau hinzusehen, mit wem wir es da zu tun haben.“ So hätten die Grünen erst im Frühjahr alle demokratischen Kreistagsmitglieder zu einem Info-Seminar über Profil und Wirken der regionalen AfD eingeladen. „Viele haben damals die Gelegenheit leider nicht genutzt, sich ein Bild zu machen. Aber das kann man ja auch nachholen!“
Jetzt, genau jetzt, sei es wichtig, die eigene Haltung zu den Rechtsextremen zu klären, so die Kreis-Grünen. „Als die AfD noch niedrige einprozentige Wahlergebnisse einfuhr, meinte viele, das sei doch keine Gefahr. Sollte sie erstmal 30% bekommen, wäre es vielleicht zu spät.“ so die Grünen im Rhein-Neckar-Kreis. „Genau heute müssen wir deshalb die Demokratie gegen ihre Feinde verteidigen. Am Stammtisch, im Betrieb, in der S-Bahn … und zur Not eben auch im Kreistag!“
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