Ausweg aus der Neckargemünder Haushaltsmisere: Die Erneuerbaren Energien

In der Rhein-Neckar-Zeitung vom 5.April 2022 wird über die Haushaltsberatungen und die finanzielle Lage der Stadt wenig Erfreuliches berichtet: Es seien „tiefrote Zahlen“ festzustellen, über „die Haushaltssituation“ müssen ernste Gespräche mit dem Kommunalrechtsamt geführt werden und die Fehlbeträge belaufen sich inzwischen auf 3,3 Millionen €.

Ein Grund mehr für die Stadt, sich endlich mit Nachdruck einem Thema zu widmen, mit dem die Einnahmesituation sich entscheidend verbessern ließe: Dem Ausbau der Erneuerbaren Energien. Nach wie vor stark ausgeprägt ist der Irrglaube bei vielen, Klimaschutz sei zuallererst eine teure Sache aber in Zeiten leerer Kassen müsse dies erstmal warten. Doch dieser Eindruck trügt; vielmehr können gut gemachte Schritte hin zu den Erneuerbaren Energien der Ausweg aus der Finanzmisere sein.


Gähnende Leere im Stadtsäckel, der Neckargemünder Haushalt rutscht tief in die roten Zahlen. Foto: Marco Verch, CC-BY-2.0

Ein aktuelles Beispiel aus der Region: Millionen Euro für Eberbach

Beispiel gefällig? Soeben hat die Stadt Eberbach mit einem Bürgerentscheid die Weichen für den Einstieg in die Nutzung der Windenergie gestellt. Da mag der Wunsch nach mehr Klimaschutz bei vielen Stimmberechtigten ebenso eine Rolle gespielt haben wie die Absicht, sich weiter unabhängig von den Lieferungen undemokratischer Gas- und Öl-Lieferländer zu machen. Nicht unerheblich wird allerdings sicher die Tatsache gewesen sein, dass der Stadt bei Annahme des Projekts Pachteinnahmen von ca. 1,3 Millionen Euro pro Jahr winken. Für eine bislang schlicht ungenutzte Ressource wie den eigenen Wind ein stattlicher Betrag. Die Stadt muss dafür nicht mal selbst planen oder investieren, sie muss nur zulassen, dass die Energiewende nun endlich auch hier in der Region ankommt. Ein gutes Dutzend Bewerberfirmen hatten sich um das Projekt gebalgt. Die Stadt konnte in aller Ruhe das für sie beste Angebot auswählen und den Bürger:innen zur Entscheidung vorlegen.

Eberbach ist damit unversehens zum Vorreiter in unserer bislang windenergiefreien Region geworden. Aber auch für eine Gemeinde wie Neckargemünd könnte eine solche Perspektive die klamme Haushaltslage entscheidend aufbessern, wenn nicht umkehren. Die Nutzung der eigenen Möglichkeiten zur Energieerzeugung aus Wind und Sonne, die bislang noch in den Kinderschuhen steckt, muss spätestens jetzt ganz oben auf der Agenda stehen: Nicht nur Windenergie, sondern beispielsweise auch Freiflächen-PV-Anlagen haben das Potenzial, Mittel in beträchtlichem Umfang zu erwirtschaften. Wohl dem, der diese Möglichkeiten nutzt.

In Eberbach stand eine kommunale Fläche als Windstandort zur Abstimmung, aber selbst bei anderen Flächen sieht das Gesetz die finanzielle Beteiligung der jeweiligen Gemeinde an den Erträgen der dortigen Windkraftanlagen vor – pro Anlage können dadurch auch so beträchtliche Beträge zusammenkommen. Regionen wie der oft zitierte Energiewende-Modelllandkreis Rhein-Hunsrück haben sich auf diese Weise über die Jahre finanziell saniert und glänzen heute mit den niedrigsten Verschuldungszahlen und den höchsten Raten bei Erneuerbaren Energien. Vormals strukturschwache Gemeinden können auf diese Weise heute Mittel in Vereinsförderung, Jugendarbeit, Digitalisierung und Ortskernsanierung stecken, die andernfalls unerfüllbare Wünsche geblieben wären.

Energiewende: Heute ein Muss aus vielerlei Gründen

Von alledem ist in Neckargemünd bislang wenig zu sehen: Große PV-Projekte liegen seit Jahren in einem unerklärlichen Dornröschenschlaf, Dachflächen bleiben leer und insbesondere die ertragreiche Windenergie wird überhaupt nicht genutzt. Demzufolge können in Neckargemünd also auch keine Überlegungen zu Wohltaten wie in pfiffigen Energiewende-Gemeinden angestellt werden. Nein, hier in der Stadt müssen im Gegenteil die freiwilligen Leistungen auf den Prüfstand gestellt werden und “Bücherei, Musikschule und Freibad“, so heißt es im RNZ-Bericht, müssen den Rotstift fürchten. In den Finanzplanungen der Stadt aber finden sich die Erneuerbaren derzeit noch kaum, und wenn dann als gerade eben noch leistbarer Kostenblock, nicht als die Cashcow, die die Erneuerbaren Energien sein können. Die Stadt wäre dringend aufgefordert, diese Perspektive umgehend mit Expert:innen durchrechnen zu lassen und dann umzusetzen: Wo liegen die eigenen Potenziale bei den Erneuerbaren Energie und wie können diese umgehend aktiviert werden um damit endlich „im ICE-Tempo in Richtung Pariser Klimaziele zu sausen“ wie Hermino Katzenstein (Grüne) es der Stadt in seinem Beitrag empfohlen hatte.

Die ungebremst dramatischer werdende Klimakrise allein wäre Grund genug, die hier vorgeschlagene Richtung umgehend einzuschlagen: Die Aussagen im neuen IPCC-Klimareport  müssten landauf-landab dazu führen, dass Alarmglocken läuten und das Thema Energiewende mit höchster Priorität angegangen wird, Kassenlage hin oder her  – dass dieser Weg aber dennoch nicht einmal in Städten, die es finanziell bitter nötig hätten, verfolgt wird, obwohl er sich doch rechnet, ist umso weniger verständlich.

Verantwortungsträger:innen in Politik und Verwaltung werden zu Beginn ihrer Tätigkeit feierlich darauf verpflichtet, das Wohl des Gemeinwesens für das sie zuständig sind zu wahren und zu mehren. Dies muss heute die Nutzung der Möglichkeiten der Erneuerbaren Energien mit einschließen: Eine solche Energiepolitik ist positive Klimapolitik, Finanzpolitik, Wirtschaftspolitik – und Sicherheitspolitik.

Stefan Geißler,

Kreisrat, Vorstand Bündnis 90 / Die Grünen Neckargemünd

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