„Deutschland ist ein Modell für das friedliche Zusammenleben der Religionen“

Ibrahim Ebrem von "teilseiend"

Vortrag von Ibrahim Ebrem bei den Neckargemünder Gesprächen

Miteinander reden statt übereinander! Das war das Motto der jüngsten Ausgabe der Neckargemünder Gespräche am Sonntag 21. Mai im Jakobssalon in der Altstadt. Eingeladen hatten die lokalen Grünen dafür Ibrahim Ebrem von der Initiative Heidelberger Muslime „teilseiend“. Ebrem, der auf ein Studium der katholischen wie auch der islamischen Theologie zurückblicken kann, ist ein gefragter Mann in diesen Zeiten; hunderte Male, so erklärte er, habe er in den vergangenen Jahren in Schulen, bei Polizei, Gemeinderäten und anderen Organisationen gesprochen. Denn obwohl heute Millionen von Muslimen (6% der Bevölkerung) oft bereits in zweiter oder dritter Generation in Deutschland lebten, gebe es vergleichsweise wenig Austausch über Alltagsthemen, wisse man über das jeweilige Gegenüber oft zu wenig. Und wo zu wenig gesprochen werde, dort hätten Vorurteile Konjunktur und das Denken werde von den Schlagwörtern aus den reißerischen Schlagzeilen bestimmt.

Ibrahim Ebrem von "teilseiend"
Ibrahim Ebrem von „teilseiend“

Überhaupt sei es problematisch, vereinfachend von „den Muslimen“ zu sprechen: zu verschieden seien die religiösen und kulturellen Prägungen von Menschen aus der Türkei (wo die größte Gruppe der Muslime in Deutschland herstammten), aus dem Maghreb, von der arabischen Halbinsel, aus Indonesien oder Bangladesch. In Deutschland habe man auch lange gar nicht von „den“ Muslimen gesprochen, sondern von türkischen „Gastarbeitern“ oder von „Ausländern“. Ebrem fragte nach, ob dem Publikum bewusst sei, seit wann von „den Muslimen“ die Rede sei – das habe erst 2001 eingesetzt, nach dem Anschlag auf das World Trade Center.

Einen Überblick über die muslimische Vielfalt gab Ebrem mit einem Exkurs in die verschiedenen Glaubensrichtungen im Islam, von denen man als Laie die Begriffe Sunniten und Schiiten sicher kennt. Aber wohl spätestens bei den Unterscheidungen zwischen hanbalitischen, hanafitischen, schafitischen und malikitischen Muslimen müssen die meisten von uns passen. Eine Konsequenz der Vielfalt ist, dass öffentliche Stellen in Deutschland oft keine eindeutigen Ansprechpartner auf der muslimischen Seite haben – oder eben gleich mehrere bisweilen konkurrierende. Ein wichtiger Schritt hin zu einer weiteren Normalisierung muslimischen Lebens in Deutschland ist daher, dass Religionsunterricht an Schulen, Universitäten und Moscheen von in Deutschland ausgebildeten Kräften angeboten werden sollte. Grundsätzlich sei das in Deutschland Konsens – die dafür nötigen Imame gebe es allerdings noch nicht in genügender Zahl. Weitere Themen auf dem Weg zu einer gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sind Fragen nach Feiertagen, Steuern, Bestattungsrecht und Kindergärten. Jedes dieser Themen für sich birgt viel Klärungsbedarf und erfordert die Suche nach Konsensen. Die Frage „Sind diese Themen Vorboten einer Islamisierung oder Konsequenzen des grundgesetzlichen Gleichbehandlungsgebots?“ ließ Ebrem zum Nachdenken bewusst unbeantwortet.

Und auch heiklen Themen ging Ebrem, der sich seit Jahren auch in der Extremismusprävention der Bundeszentrale für politische Bildung engagiert, keineswegs aus dem Weg. Ungefähr ein Prozent der in Deutschland lebenden Muslime schätzen die Sicherheitsbehörden als potenziell gewaltbereit ein; circa 10-15 Prozent beträgt der Anteil derjenigen, die menschenverachtende und/oder demokratiefeindliche Einstellungen zeigen. Bedenkliche Zahlen, allerdings: derselbe Anteil der deutschen Mehrheitsbevölkerung zeigt solche menschenverachtenden, demokratiefeindlichen Haltungen.

Angesprochen auf die oft tragischen Konflikte, die die islamische Welt seit langem prägen, drückte Ebrem abschließend die Hoffnung aus, „das friedliche Mit- und Nebeneinander der Religionen, so wie es in Deutschland seit langem gelebte Praxis ist, hat das Zeug, ein Modell auch für andere Regionen in der Welt zu werden“. Gerade auch in dieser Botschaft sehen er und seine Initiative „teilseiend“ (www.teilseiend.de) eine wichtige Aufgabe für Frieden und Verständigung.

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