„Inzwischen für Normalverdiener kaum noch zu bezahlen!“

Grüne diskutieren über Wege aus der Wohnungsnot

Bezahlbar wohnen – wie soll das gehen? Dieser Frage gingen die Grünen bei ihren Neckargemünder Gesprächen am vergangenen Sonntag im Jakobssalon in der Neckargemünder Altstadt nach.

Thomas Schmitz und Christoph Nestor fordern entschiedene Maßnahmen gegen die Wohnungsnot auch durch aktives öffentliches Handeln.

Fast zwei Millionen Haushalte allein in den 77 deutschen Großstädten können sich ihre Miete eigentlich gar nicht mehr leisten, so Stadtrat Thomas Schmitz in seiner Einführung (hier der Vortrag als PDF-Datei ). Nach einer Definition der Hans-Böckler-Stiftung seien dies Haushalte, die mehr als 30% ihres Haushalts-Nettoeinkommens für das Wohnen aufbringen müssen. Dieses Problem sei bundesweit zu beobachten, aber gerade in einer boomenden Region wie der Metropolregion Rhein-Neckar, die europaweit zu den Gegenden mit dem stärksten Wachstum zu zählen sei, sei die Entwicklung besonders ausgeprägt. Konkret in Neckargemünd sei unklar, wo die ca. 700 Neubürger denn unterkommen sollen, die lt. Statistischem Landesamt in den nächsten 4 Jahren aufgrund der guten Wirtschaftslage und der attraktiven Infrastruktur neu in der Stadt erwartet werden.

Der Wohnungsmarkt in Neckargemünd sei „leergefegt“, stellte Schmitz fest. Leider rufe die Stadt Neckargemünd aber noch nicht einmal die im Haushalt bereitgestellten Mittel für sozialen Wohnungsbau ab und spare bei der Unterhaltung der bestehenden städtischen Gebäude. Als Maßnahmen gegen die Wohnungsnot in Neckargemünd forderten die Grünen daher eine aktivere Rolle der Stadt auf dem Wohnungs- und Grundstücksmarkt und eine Überarbeitung der Bebauungspläne für eine dichtere Bebauung. So seien zum Beispiel Mehrfamilienhäuser den Einfamilienhäusern vorzuziehen, schlicht um die begrenzte Fläche in der Stadt besser nutzen zu können. Hier habe die Gemeinderatsmehrheit in der Vergangenheit bei der Überarbeitung des Bebauungsplans Weststadt versagt und sich – anders als die Grünen – gegen eine bauliche Verdichtung ausgesprochen. Für Senioren, die allein in großen Häusern leben, sollte bei den Sozialverbänden eine ehrenamtliche Tauschbörse eingerichtet werden, um Familien eine Perspektive zu eröffnen. Die Besitzer von unbebauten Grundstücken im Innenbereich sollten über eine Grundsteuer C zum Bauen veranlasst werden. Die Stadt sollte Baugenossenschaften unterstützen und eine Sozialquote von 30% geförderte Mietwohnungen bei Entwicklungsmaßnahmen einführen. Dies solle für eine Durchmischung der Wohngebiete sorgen und auch durchschnittlichen Einkommensbeziehern die Chance bieten, in Neckargemünd zu wohnen.

Dass es längst auch um diese Durchschnittshaushalte gehe, und nicht mehr allein um finanziell schwache, machte Christoph Nestor, Geschäftsführer des Heidelberger Mietervereins, in seinem Vortrag klar. Nestor begrüßte die zuletzt gestiegene Aufmerksamkeit für das Thema, bei dem wie zuletzt in Hamburg große Demonstrationen deutlich machten, dass die Verhältnisse aus dem Ruder gelaufen seien. Ein Indiz sei die Rate von inzwischen 50% der Haushalte bundesweit, die aufgrund des verfügbaren Einkommens eigentlich berechtigt seien, einen Wohnberechtigungsschein für eine geförderte Mietwohnung zu bekommen. Eine Maßnahme, die vor vielen Jahren als Ausnahme für Notlagen gedacht war, betreffe heute schon die Hälfte der Bevölkerung. Deshalb müsse man jetzt für die „Wohnwende“ eintreten. Gemeint ist ein Paradigmenwechsel in der Wohnungspolitik von „renditeorientiert“ hin zu „gemeinwohlorientiert“.

Nestor befürwortete einen gemeinwohlorientierten öffentlichen Wohnungsbausektor, der u.a. durch Wohnbauförderung und die Wiedereinführung der Wohngemeinnützigkeit dazu beitrage, dass ausreichend dauerhaft bezahlbare Wohnungen entstehen. Allein dadurch, dass öffentliche Wohnungsbaugesellschaften die Rolle von gewinnorientierten privaten Projektentwicklern übernehmen, seien oft 30% der Kosten einzusparen. Er appellierte an die regionale Zusammenarbeit von Heidelberg und den Nachbargemeinden. So sei durchaus vorstellbar, dass ein gemeinnütziges Wohnbauunternehmen aus Heidelberg auch auf Neckargemünder Gemarkung tätig wird. Ein regional koordiniertes Vorgehen, bei dem der Großraum um Heidelberg herum gemeinsam die Potenziale von großen Projekten wie etwa der Entwicklung des Patrick-Henry-Village in Heidelberg nutzen könnte, sei derzeit aber leider noch nicht zu beobachten.

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